Was ‚den inneren Frieden finden‘ betrifft gilt, wie für die meisten Dinge im Leben, es ist kein einmaliges Überschreiten einer Zielgeraden. Die innere Zufriedenheit ist ein Zustand, der zwar durch Übung leichter wird, der aber in Balance gehalten werden muss. Genauso, wie das Leben ja immer weiter geht, die Erde sich permanent um sich selbst dreht, gilt es auch für uns, in Bewegung zu bleiben. Nicht nur die unterschiedlichen Rollen fordern ein anderes Verhalten, auch die Erfahrungen und Triggerpunkte die so manches mal berührt werden. Dann gilt es zum Beispiel, inne zu halten, zu spüren, was da gerade bei uns ausgelöst wurde, bevor wir uns dazu verhalten.
Angenommen, ich bin nach meiner Morgenroutine ganz entspannt und gelassen, komme zur Arbeit und meine Chefin empfängt mich mit den Worten: „Da haben Sie ja einen ganz schönen Bock geschossen.“ Sofort ist Schluss mit meinem inneren Frieden und mein Herz klopft bis zum Hals. Die Hände werden feucht und ich habe Mühe, meine Tränen zurück zu halten.
Was ist da passiert? Ich ordne den Satz der Chefin sofort als Angriff ein. Fühle mich zurück versetzt in die Zeit als Kind, wo ich von meiner Mutter kritisiert wurde, obwohl ich mich doch so bemüht hatte, ihr zu gefallen. Nicht nur, das ich ihre Anerkennung und ihre Zuneigung nicht gewinnen konnte, ich habe sie auch noch enttäuscht. Diese viel frühere Erfahrung verknüpfe ich unbewusst mit dem Satz der Chefin. Ich fühle mich sofort wieder wie dieses kleine Kind. Keine gute Basis, um als erwachsener Mensch zu reagieren.
Deshalb gilt es, mir diese Unstimmigkeit bewusst zu machen. Ich bin nicht das kleine Kind, sondern ein erwachsener Mensch. Um diesen kleinen aber bedeutsamen Schritt gehen zu können, brauche ich Zeit, muss das Gefühl wahrnehmen und mich innerlich von dem Bild, welches ich damit verknüpfe, distanzieren. Mich also dissoziieren statt einzutauchen. Erst dann kann ich aus meinem Erwachsenen-Ich agieren und zum Beispiel nachfragen: „Was genau meinen Sie?“
Wir Menschen sind nicht immer gleich, haben bessere und schlechtere Tage, haben Menschen, die uns in ganz schnell auf die Palme bringen, andere, die für uns ein sicherer Hafen sind. Deshalb ist der innere Frieden auch kein Zustand, der immer anhält und statisch ist. Aber je klarer ich die ausgelösten Gefühle, die Umstände von dem momentanen Geschehen selbst trenne, desto schneller komme ich wieder in Balance, erreiche oder behalte den Zustand der inneren Ausgeglichenheit und Ruhe.
Es ist wesentlich, sich dies bewusst zu machen, sich nicht zu verurteilen, wenn man aus der Balance gerät. Denn es ist normal, wir haben Gefühle und wenn die Gefühle besonders stark sind, übernimmt der Autopilot in uns das Kommando und reagiert auf oft unangemessene Art und Weise. Denn der Autopilot agiert aus dem Kind-Ich, aus den früh abgesicherten Erfahrungen und das mit Trotz, Wut oder Hilflosigkeit. Also das Kind in uns wird sich melden, wir sollten es wahrnehmen und aus unsere gemachten Lebenserfahrung an die Hand nehmen und als Erwachsene reagieren. So kommen wir schnell in Balance, werfen uns nicht im Anschluß unsere unangemessene Reaktion vor und bleiben im inneren Frieden.