Kennst du das Gefühl, wenn dir immer wieder eine bestimmte Stärke zugeschrieben wird? Vielleicht bist du besonders flexibel, empathisch oder mutig – und erntest dafür anerkennende Blicke oder Kommentare. Doch hast du dich schon einmal gefragt, ob diese Stärke allein wirklich immer hilfreich ist? In diesem Beitrag möchte ich dich mitnehmen auf eine kleine Reise zu den Gegengewichten unserer Stärken – und warum sie so wertvoll für unser inneres Gleichgewicht sind.
Flexibilität und Kraft – ein persönliches Beispiel
Ich selbst erlebe das regelmäßig beim Sport. In Gruppenkursen fällt oft auf, wie flexibel ich bin – ich kann mich beim Dehnen fast mühelos auf die Oberschenkel legen. Für viele ist das beeindruckend, für mich manchmal sogar ein bisschen unangenehm. Denn was kaum jemand sieht: Diese Flexibilität ist zwar eine Gabe, aber sie braucht dringend ein Gegengewicht. Früher bin ich oft umgeknickt, habe mir Bänder überdehnt und Schmerzen gehabt. Erst als ich begonnen habe, gezielt meine Muskulatur zu stärken, wurde aus meiner Flexibilität eine wirkliche Stärke, die mich trägt und schützt. Nur flexibel zu sein, reicht eben nicht – es braucht auch Kraft und Stabilität, damit ich nicht sprichwörtlich „aus der Bahn“ geworfen werde.
Das Wertequadrat: Stärken brauchen Schwestern
Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun beschreibt dieses Prinzip im sogenannten Wertequadrat: Jede Stärke, jeder Wert braucht eine Schwester-Tugend, ein Gegengewicht, um nicht ins Übermaß zu kippen. Nehmen wir zum Beispiel Mut. Mut ist großartig – doch ohne Vorsicht kann er schnell zu Übermut werden. Oder Empathie: Wer sich immer nur in andere hineinversetzt, vergisst leicht die eigenen Bedürfnisse. Erst im Zusammenspiel mit Selbstfürsorge wird Empathie zur echten Stärke, die nicht ausbrennt.
Balance statt Einseitigkeit
Vielleicht kennst du das auch aus deinem Alltag: Du bist hilfsbereit, aber manchmal fällt es dir schwer, „Nein“ zu sagen. Oder du bist sehr organisiert, aber manchmal fehlt dir die Spontaneität. Genau hier liegt der Schlüssel: Unsere Stärken sind wie eine Waage. Liegt zu viel Gewicht auf einer Seite, gerät das Gleichgewicht ins Wanken. Es geht nicht darum, unsere Stärken kleinzureden, sondern sie bewusst mit einem Gegengewicht zu ergänzen. So bleiben wir flexibel und widerstandsfähig – und können auch in herausfordernden Situationen auf unsere innere Balance vertrauen.
Praktischer Impuls für dich
Vielleicht magst du heute einmal innehalten und dich fragen: Was ist deine herausragende Stärke? Und welches Gegengewicht könnte dir helfen, sie noch besser zu leben? Vielleicht ist es für dich dran, als flexibler Mensch mehr an deiner Standfestigkeit zu arbeiten. Oder als empathischer Mensch mehr auf deine eigenen Bedürfnisse zu achten. Manchmal reicht schon ein kleiner Schritt, um die Waage wieder ins Lot zu bringen.
Abschließende Frage an dich
Was ist das Gegengewicht zu deiner größten Stärke – und wie könntest du es in deinem Alltag stärken?